Kreatives Schreiben 

Hier findest du kreative Texte aus queer feministischer Perspektive: teils Auszüge von Postkarten, Ideenfetzen, Luftschlösser, Herzensgeschichten, teils publiziert, teils verschickt, teils bisher versteckt. Ich würde mich über kritische Kommentare freuen. 

Weiße Sneakers, 2024

«Sorry, no Laptops on this table». Mit verblasster Schrift haftet der Aufkleber subtil in der linken Ecke des Holztisches. Obwohl ich das bewusste Pausemachen absolut unterstütze, verspüre ich, wie die sechs Worte Unbehagen in mir auslösen. Ist es die stumme und zugleich laute Vorschrift, die mich einengt oder die Absicht des Kaffees, so mehr Umsatz zu erzielen? Wahrscheinlich beides. Anstelle des Laptops lege ich stolz meine frisch ausgeliehenen Bücher der Uni Wien auf den kleinen Tisch. Bewusst überdecke ich damit den provozierenden Kleber. Der Titel meiner zuoberst liegenden Lektüre «Die Welt verändern lernen» vermischt sich mit dem Geschmack von geröstetem Kaffee und utopischen Freiheitsgedanken. Sie stimmen mich optimistischer. Die lebendige Atmosphäre des Kaffees treiben meine Motivation an. Vermeintlich langweilige Beats werden von den Mitarbeitenden weggedrückt, unterschiedliche Genres tanzen so schnell an mir vorbei, dass ich ihnen nicht mehr folgen kann. Am Rande meines Blickfelds trampeln bunte Turnschuhe umher, trinken Oatcappucinos, wippen im Takt und tauschen sich aus. Obwohl ich mich vor einigen Minuten nach Stimmen gesehnt hatte, bedrängen sie nun meinen Fokus, an dem ich angestrengt festzuhalten versuche. «Vielleicht geht's mit einem zweiten Kaffee besser», also bestelle ich nochmals einen. Auf Englisch, denn so ist es für das Personal einfacher, um Locals, Reisende oder Expads willkommenzuheissen. Ich balanciere Kaffee und Wasser auf einem viel zu kleinen Tablar zu meinem Platz, als ich drei weiße mainstream Sneakers am Tisch neben mir entdecke. Alle drei tragen Kapuzenpullover und helle Hosen.

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Gutbürgerliches sonntägliches Radeln, 2024

Bei meinen Vorbereitungen für den Aufenthalt in Wien habe ich mich entschieden, mein Fahrrad mitzunehmen. Denn Wien kämpft gegen Klimawandel und Stau, indem günstige City-Bikes und ein engmaschiges Fahrradnetz angeboten werden. Schlussendlich war es jedoch Google-Maps, das mich überzeugte, mein Rad für 13 Euro von Zürich nach Wien zu transportieren (das hat mich übrigens weniger gekostet als das Fahrradticket von Liestal nach Zürich). Die Route von meiner Wohnung zum Zentrum sollte laut der App nur 11 Minuten dauern. «Kein Problem», dachte ich mir.

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Vom queeren Kinder kriegen, 2024

"Möchtest du mal Kinder?" Der einfachste Weg, dieser Frage zu entkommen ist, eine Freundin zu haben. Als Frau. Bevor ich mit meiner zusammengekommen bin, mündeten unzählige Dialoge, selbst beim alltäglichsten Smalltalk, in diesem Wissenwollen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Frage an fast nur weiblich gelesene Personen gerichtet wird. Doch das ist nicht der einzige Grund, warum mich diese vermeintlich gutgemeinte Frage nervt, denn es wird nur eine richtige Antwort akzeptiert. Also eigentlich kann sie als rhetorische Frage betitelt werden, denn ich, als Jugendliche, antwortete mit: "ähm.. ich denke nicht." Mein Gegenüber, empört und belustigt zugleich: "Ja, das habe ich in deinem Alter auch gedacht." Ein anderes Vis-à-Vis meinte mal: "Warte nur, bis du den Richtigen gefunden hast." Diesem bin ich bis heute tatsächlich noch nicht begegnet.

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Ein Echo in mir, 2024

Wieder hallten ihre Worte durch den kargen Raum. Wut stieg in mir auf. Ihre Sätzen krochen mir in den Magen, engten ihn ein. Auch ohne ständige Wiederholung. verdoppelte Mehrheitsperspektive ergab unentrinnbare Präsenz. Über eine Stunde lauschte ich den leeren Floskeln, meinen Freundinnen. Belangloses Geplapper für mich. Alltag für sie. Ohne die Absicht zu besitzen, als etwas besseres gehalten werden zu wollen, weiß ich, dass genau das bei dir passiert.Aber das ohrenbetäubende Gedankenkarussell in mir wurde beinahe unerträglich. In mir polterten die Stimmen, verlangten, endlich ins Tageslicht zu treten. Aber trotz allem konnte ich es nicht.WeilIch mich an das letzte Mal erinnerte, als ich meine Sicht gezeigt hatte. Mein erhöhter Puls war ein Zeuge davon.Damals hatte ich ihre gewaltvolle Abwehr erfahren. Selbst wenn ich meinen Gedanken eine Stimme verliehen hätte, würden sie eine noch größere Kluft zwischen uns schaffen.Immerhin wäre sie dann für alle sichtbar.Ja, es kostete mich verdammt viel Energie, nicht nur meine hämmernden Gedankenfetzen, sondern auch ein so bedeutender Teil von mir zurückzuhalten.Und wieder hallte es, es war nur ein Echo. Von mir.

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Changsha, China, 1.8.2017

Die Stadt atmet schwer, im Takt der Hektik. Dichter Verkehr verstopft die breiten Straßen, Rücksicht ist hier fremd. Alles bahnt seinen Weg zur Arbeit. Die Hochhäuser sind vom Nebel verschluckt, als wären sie noch in ihren Träumen verfangen. Wir sitzen im Bus, schwere Regentropfen prallen an die Scheiben. Zusammen mit dem Gelb der MC Donalds Werbung verschwimmt der Schwarm vor uns. Vom Bus werden wir ausgespuckt. Ein hektischer Markt erstreckt sich ein vor uns.Für die Einheimischen existiert in dieser engen Gasse kein Nass, sie drehen sich in ihrem Alltag weiter. Für mich jedoch ist alles doppelt spürbar: Das gesalzene Grau der KrabbenDas geduldige Grün des GemüsesDas rohe Rot des FleischsDas grelle Gackern der Hühner Das brodelnde Brutzeln der Teigtaschengerahmt von fremden Lauten und blinkenden chinesischen Zeichenblitzen in den Pfützen wieder auf. Dieser Markt, dieser Moment, dieser Mikrokosmus inmitten des urbanen Chaos, wo jede Farbe, jeder Klang, jeder Geschmack eine einzigartige Geschichte erzählt. 

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Der Kuss, 2016

Mit all meinem Dasein versuchte ich ihm Wärme und Leben einzuhauchenDoch meine Lippen berührten Kälte die mein Herzerstarren und einfrieren ließNochjetzt trage ich diesen Frost in mir. Heute küsse ich kurzlebige und intensive HitzeFür einen Moment des Glühens und AuferstehensIch bin verfallendem Kusssüchtig nach Flüchtigkeit

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