"Möchtest du mal Kinder?" Der einfachste Weg, dieser Frage zu entkommen ist, eine Freundin zu haben. Als Frau.
Bevor ich mit meiner zusammengekommen bin, mündeten unzählige Dialoge, selbst beim alltäglichsten Smalltalk, in diesem Wissenwollen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Frage an fast nur weiblich gelesene Personen gerichtet wird.
Doch das ist nicht der einzige Grund, warum mich diese vermeintlich gutgemeinte Frage nervt, denn es wird nur eine richtige Antwort akzeptiert. Also eigentlich kann sie als rhetorische Frage betitelt werden, denn ich, als Jugendliche, antwortete mit: "ähm.. ich denke nicht." Mein Gegenüber, empört und belustigt zugleich: "Ja, das habe ich in deinem Alter auch gedacht." Ein anderes Vis-à-Vis meinte mal: "Warte nur, bis du den Richtigen gefunden hast." Diesem bin ich bis heute tatsächlich noch nicht begegnet.
Doch die sich im Loop drehende Rhetorik stoppte abrupt. Erst nach einiger Zeit realisierte ich, dass dies an meine queere Beziehung gekoppelt war. Obwohl ich die unerträgliche Frage so satt hatte, vermisste ich sie. Nicht, weil ich endlich allen mit "ja" antworten wollte (so hätten einige besserwissenden Gegenüber in meinem Fall recht gehabt) sondern, weil sich mit dieser Leerstelle das erste Anzeichen einer Differenz bemerkbar machte. Was mich damals verunsicherte, ist mir heute glasklar:
Die Gegenüber haben keinen Schimmer davon, ob und wie wir Kinder kriegen können. Wenn ich nun auf die Leerstelle blicke, erkenne ich feine Schichten der Differenzproduktion, die im Unwissen gründen.
Mit der national für Aufmerksamkeit sorgenden Debatte um die "Ehe für Alle" verspürte ich Zuversicht. So war der Zugang zur Samenbank an die EFA gekoppelt. Doch als wäre nichts geschehen, vergrößern sich die Augen vor mir, wenn ich ihnen referieren muss, dass es für uns eben doch möglich ist, leibliche Kinder zu gebären. Oft erwähne ich dann auch, dass die Samenbanken in der Schweiz schon vor der Öffnung für (fast) alle, existierten und rentierten.
Der Höhepunkt der Differenz erlebte ich, als ich nach einer kurzen Schockpause gereizt nach einer angemessenen Antwort suchte: "äh.. nein, keine von uns macht einen One-Night-Stand, um schwanger zu werden." Hätte die Person jene Frage auch an ein Heteropaar gestellt, das keine Kinder kriegen konnte? Wohl nicht.
Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht ahnte, war, dass mit der Entscheidung, den Kinderwunsch in Realität umzusetzen, die Differenzlinie noch stärker markiert wurde. Ich bin müde davon, immer und immer wieder in die Expertinnenrolle gedrängt zu werden.
Wenn ich in die Zukunft blicke, überkommt mich Unbehagen. Zwischen uns und der bürgerlichen Kleinfamilie frisst sich eine Linie ein, sie wird eine immer tiefere Kluft graben. Die Sorge davor, was uns an Orten wie dem Spital, der Schule oder in der Migros passieren wird, schnürt mir den Magen zu.
Doch was mich noch mehr bewegt, als die tagtäglich verspürte fremdmarkierte Andersartigkeit ist, dass sich meine Gegenüber nicht darum kümmern, diese Kluft auch nur ein kleines bisschen zu überkommen, da sie für sie unsichtbar ist. Indem die Differenz geleugnet wird, werden auch meine Emotionen erstickt. Nicht nur vom Vis-à-Vis, auch von mir selbst. Was nicht gesehen wird, existiert nicht. Was nicht existiert, hat keine Daseinsberechtigung.
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